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Braunschweig: Maddie darf kein Thema sein – sie ist es aber doch

Wird der fall Maddie McCann doch noch zum Thema in Braunschweig? Die Welt jedenfalls wartet.

Maddie McCann - ihr Fall schwebt in Braunschweig irgendwie immer mit...
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Maddie McCann: Das ist der Hauptverdächtige Christian B.

Auch viele Jahre nach ihrem spurlosen Verschwinden ist noch unklar, was genau mit Maddie McCann geschah. Wir erklären, was es mit dem Hauptverdächtigen Christian B. auf sich hat.

Nach einer Pause rückt der Braunschweiger Prozess gegen Christian B. wieder in den Fokus.

Wo steht das Verfahren gegen den Mann, der auch im Fall Maddie verdächtig ist?

Braunschweig: Maddie-Frage immer dabei

Im Prozess gegen Christian B. werden drei Vergewaltigungen und zwei Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern verhandelt. Über dem Verfahren im Braunschweiger Landgericht schwebt aber von Anfang an auch die Frage, ob sich über den 47-Jährigen das rätselhafte Verschwinden des Mädchens vor mehr als 17 Jahren noch aufklären lässt. Mit einem Antrag fordert die Verteidigung einen Zwischenstand ein. 

Welt schaut auf Braunschweig

Die damals dreijährige Britin Madeleine McCann war im Mai 2007 im portugiesischen Praia da Luz an der Algarve aus einer Ferienanlage verschwunden. Der Fall erlangte unter anderem durch die Medienarbeit der Eltern deutlich mehr Aufmerksamkeit als andere Vermisstenfälle. Aber erst 2020 folgte die bisher überraschendste Wende: Am 3. Juni gaben Ermittler bekannt, dass sie einen deutschen Staatsangehörigen unter Mordverdacht haben. Mit einem Schlag wurde aus dem Vermisstenfall eine Mordsache – mit einem vorbestraften Sexualstraftäter als konkreten Verdächtigen. 

Christian B. werden drei Fälle schwerer Vergewaltigung und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Portugal vorgeworfen. Ermittler verdächtigen den Deutschen auch im Fall Maddie.
Christian B. werden drei Fälle schwerer Vergewaltigung und zwei Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Portugal vorgeworfen. Ermittler verdächtigen den Deutschen auch im Fall Maddie. Foto: picture alliance/dpa/dpa Pool

„Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig am nächsten Tag der Weltpresse, die sich seitdem für den Fall neben Portugal und Großbritannien auch auf Braunschweig fokussiert. Die Braunschweiger Justiz ist zuständig, weil der Verdächtige seinen letzten deutschen Wohnsitz dort hatte. Und obwohl die Beschreibung der Ermittler zunächst noch sehr allgemein blieb, war kurz darauf genau klar, wen sie im Visier haben. 

Für Vergewaltigung in Portugal verurteilt

Der gebürtige Würzburger Christian B. lebte mehrere Jahre regelmäßig an der Algarve und wurde in beiden Ländern mehrmals straffällig. Im Juni 2020 kam schnell heraus, dass der Mann im Gefängnis sitzt, weil ihn das Braunschweiger Gericht wenige Monate zuvor wegen der Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin im Jahr 2005 in Portugal verurteilt hatte. An der Haft hat sich nichts geändert, die Ermittlungen machten B. aber für weitere schwere Straftaten verdächtig, die nun in Braunschweig verhandelt werden. 

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Zwischen Ende 2000 und Frühjahr 2006 soll der Angeklagte drei Frauen in Portugal vergewaltigt haben. Die beiden Fälle von sexuellem Missbrauch sollen 2007 und 2017 an der Algarve passiert sein. Im Prozess verteidigt sich der 47-Jährige schweigend, seine Verteidiger machten aber klar, dass ihr Mandant aus ihrer Sicht in allen Anklagepunkten freizusprechen sei. Es gelte die Unschuldsvermutung und der Maddie-Komplex sei offiziell nicht Gegenstand des Verfahrens. 

Braunschweig: Viele offene Fragen 

Seit Mitte Februar sind mittlerweile mehr als 20 Verhandlungstage absolviert. Zu allen mutmaßlichen Taten wurden Zeugen gehört – teils sehr aufwendig mit Dolmetscher und per Video-Schalte nach Portugal. Eine Bilanz erscheint mehr als schwierig und viele Fragen bleiben bisher offen. Fest steht wohl, dass sich keine der Taten leicht beweisen lässt und daher vor allem die Glaubwürdigkeit der verschiedenen Aussagen im Zentrum steht. 

Mit widersprüchlichen Angaben ließen wichtige Zeugen Zweifel zu. Teils korrigierten sie ihre Angaben auch erst nach einem eindringlichen Verweis auf die Wahrheitspflicht. Viele Involvierte haben ihr Wissen lange vor dem Prozess mit Medien geteilt und sich dafür wohl häufig auch „entschädigen“ lassen. 

Aufhebung des Haftbefehls beantragt

Das Gericht und die Staatsanwaltschaft kommentieren den aktuellen Verfahrensstand erwartungsgemäß nicht. Die Verteidigung hingegen schon: „Ein Problem, das sich durch alle Fälle durchzieht, ist unserer Auffassung nach, dass das BKA total einseitig ermittelt hat“, sagte Anwalt Friedrich Fülscher der Nachrichtenagentur dpa. Naheliegende Ermittlung etwa zur Klärung der Glaubwürdigkeit von Zeugen seien unterlassen worden, monierte er. „Möglicherweise entlastende Dinge wurden nicht entsprechend beachtet.“

Um einen Zwischenstand von der Strafkammer einzufordern, hat die Verteidigung die Aufhebung des Haftbefehls beantragt. „Je weiter eine Beweisaufnahme fortgeschritten ist, desto strengere Anforderungen sind an die Annahme des dringenden Tatverdachts zu stellen“, sagte Fülscher. Nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme könne der Haftbefehl keinen Bestand mehr haben. 

Täter bei drei Vergewaltigungen? 

Mit Blick auf zwei Vergewaltigungen, die zwei Zeugen auf Videos gesehen haben wollen, spricht auch Fülscher von „widersprüchlichen Zeugenaussagen“, auf die wohl kein Gericht einen Schuldspruch stützen würde. „Dafür ist die Qualität einfach zu schlecht“, sagte der Strafverteidiger. Der Verbleib der Videos ist unklar und Opfer konnten bisher nicht ermittelt werden. 

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Im Fall einer Irin, die 2004 in Portugal vergewaltigt wurde und selbst als Zeugin in dem Prozess aussagte, ist der Angeklagte nach Überzeugung der Verteidigung wegen körperlicher Merkmale wie einer Narbe am Oberschenkel als Täter ausgeschlossen. „Außerdem halten wir das Wiedererkennen nur anhand der Augenfarbe Blau schlichtweg für unmöglich“, sagte Fülscher. Die Zeugin hatte vor Gericht von „stechend blauen Augen“ berichtet. „Seine Augen, ich glaube, dieser Mann ist der Angreifer“, sagte sie. 

Braunschweig: Druck ist spürbar

Trotz der schweren Straftaten ist der Prozess für viele Beobachter auch eine Art Testverfahren vor einer möglichen Anklage im Fall Maddie. Kommt es zu einem weiteren Prozess gegen Christian B., dürften wichtige Zeugen erneut in Braunschweig vernommen werden. Auch deshalb steht deren Glaubwürdigkeit schon in dieser Verhandlung so sehr im Fokus und der Druck ist im Gerichtssaal deutlich spürbar. In der teils sehr gereizten Stimmung kommt es immer wieder zu heftigen Wortgefechten zwischen der Strafkammer, der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung. 


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Der angeklagte Christian B. wirkt dann nur als stiller Beobachter in einem Prozess mit den schweren Vorwürfen gegen ihn – und dem Maddie-Komplex hinter den Kulissen. Fortgesetzt wird das Verfahren am Freitag (28. Juni). Ob sich die Strafkammer dann zur beantragten Aufhebung des Haftbefehls äußert, blieb zunächst noch unklar. Die Ermittlungen zum Verschwinden der kleinen Maddie vor mehr als 17 Jahren gehen parallel dazu weiter. (dpa/red)