Droht im Nahen Osten ein neuer großer Krieg? Die Anzeichen verdichten sich, dass es zur befürchteten Eskalation zwischen der aus dem Iran unterstützten Hisbollah und Israel kommen wird. Die Terror-Miliz aus dem Libanon will Rache nach der demütigenden Funkgeräte-Attacke.
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Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant verkündete nun: „Wir stehen am Beginn einer neuen Kriegsphase.“ Ähnlich martialisch äußert sich die Gegenseite. Was droht dem Nahen Osten?
Hisbollah massiv gedemütigt – „Kommt Kriegserklärung gleich“
Nachdem in einer synchronen Aktion unzählige Pager und danach Walkie-Talkies im Libanon explodierten, Tausende Menschen verletzt, etwa 30 Personen getötet und möglicherweise die Kommandostruktur der Hisbollah stark geschwächt wurde, könnte die Lage nun außer Kontrolle geraten. Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah erklärte: „Dieser kriminelle Akt kommt einer Kriegserklärung gleich.“ Israel habe alle rote Linien überschritten. Wie reagiert die Hisbollah auf diese massive Demütigung?
60.000 Bürger Israels können seit Oktober 2023 nicht in Häuser zurück
Seit Oktober 2023 beschießt die Terror-Miliz aus Solidarität mit der Hamas den Norden von Israel. 60.000 Israelis wurden evakuiert und können seitdem nicht zurück in ihre Häuser. Der öffentliche Druck auf die Regierung Netanjahu ist groß, an diesem Zustand etwas zu ändern. Jetzt könnte der Krieg richtig ausbrechen.
„Würde ganz Israel und ganz Libanon treffen“
Das befürchtet zum Beispiel Militär-Experte Michael Horowitz in der „Bild“. „Wir waren noch nie so nah dran“ an einem Krieg im Libanon, so Horowitz. Er geht davon aus, dass Israel mit der Funkgeräte-Attacke möglicherweise versucht habe, „die Hisbollah abzuschrecken“. Sollte es zu einem Krieg kommen, würden israelische Bodentruppen in den Libanon eindringen, „begleitet von massiven Luftangriffen und Hisbollah-Raketenangriffen auf Israel“. Der militärische Schlagabtausch würde dann „ganz Israel und ganz Libanon betreffen“.
Offiziell will Israel diesen großen Krieg nicht und auch die Verbündeten USA und Frankreich pochen auf eine diplomatische Lösung. Gleichzeitig aber attackierte die israelische Luftwaffe jetzt auch noch Hunderte Hisbollah-Ziele mit Luftangriffen im Libanon. Zudem gab es in den vergangenen Monaten mehrere Attacken, die als Provokation aufgefasst werden könnten. Der Angriff auf ein iranisches Botschaftsgebäude in Damaskus im Frühjahr, sowie die Tötungen von Hamas-Chef Ismail Haniyyeh in Teheran und Hisbollah-Kommandeur Fuad Shukr im Sommer. Nun folgten die gezielten und präzisen Geheimdienst-Anschläge auf Pagern und Walkie-Talkies.
„Krieg in voller Intensität“ droht der Region
Orna Mizrachi, Expertin am am Institut für Nationale Sicherheitsstudien in Tel Aviv, hält drei Szenarien für möglich, wie die „Berliner Morgenpost“ zuerst berichtete:
- Der Nahe Osten könnte in eine völlige Eskalation hineinrutschen durch gegenseitige Aktionen und Reaktionen. Auch Mizrachi geht wie Horowitz davon aus, dass die Region einem Krieg „in voller Intensität näher“ sei, als je zuvor.
- Es könnte aber auch zu einem Militärschlag Israels kommen, um der Hisbollah vorzugreifen.
- Oder es könnte beim jetzigen Zustand bleiben, der sich auf Konflikte in unmittelbarer Grenznähe beschränkt. Dieser Fall wäre besonders dann wahrscheinlich, wenn die Kommandostruktur der Hisbollah durch die Funkgeräte-Attacke tatsächlich stark geschwächt wurde.
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