Es begab sich im Jahr 2006, dass sich im Rahmen der TV-Show „Popstars“ drei Frauen zusammenfanden, Musikdeutschland im Sturm zu erobern. Die Rede ist natürlich von „Monrose“. Mit Songs wie „Shame“ oder „Hot Summer“ stürmten Bahar Kizil, Mandy Capristo und Senna Gammour die Charts. Seitdem ist viel passiert.
Die Band trennte sich, die drei Frauen machten für sich allein Karriere. Im Interview spricht Senna Gammour nun über die Zeit bei „Monrose“, ihr neues Buch „Liebeskummer lohnt sich, my darling“, Castingshows und macht Hoffnung auf ein Comeback der Band.
„Liebeskummer lohnt sich, my darling“ heißt dein neues Buch. Wieso ist es nicht schade um die Tränen in der Nacht?
Nein, Liebeskummer ist und bleibt ein Arschloch. Aber ich glaube, wenn du darüber hinweg, und wirklich gesund und fit bist, kannst du davon profitieren. Ich erinnere mich, als ich am Tiefpunkt meines Lebens war, mein Herz war gebrochen, das war die intensivste und beste Zeit. Einfach weil die Herausforderung darin lag, mich selbst besser kennenzulernen. Die Beziehung, die mich nicht wollte, hat mich zu der Beziehung geführt, die ich wollte – nämlich der Beziehung zu mir selbst.
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Im Optimalfall liebst du dich selbst, und auch noch einen anderen Menschen. Wenn wir dies aber gesondert betrachten. Was zählt für dich mehr?
An erster Stelle steht die Liebe zu dir selbst. Es ist so wichtig, dass es bei einem selbst anfängt, da hört es nämlich auch auf. Wenn du gesund und im Reinen mit dir selbst bist, zu dir stehst, loyal zu dir bist, gut zu dir bist, dann kommt alles andere automatisch. Es ist natürlich auch Arbeit, sich so intensiv mit sich selbst zu beschäftigen. Viele Menschen wollen nicht an sich selbst arbeiten. Aber wenn du das machst, dann wirst du merken, dass alles, was auf dich zukommt, richtig ist.
Also auch die schlechten Dinge?
Naja, die schlimmen Dinge sind nicht schön, aber sie gehören zum Leben mit dazu. Du kannst sie nicht vermeiden. Aber du lernst, mit ihnen umzugehen. Das Leben hat nun einmal Höhen und Tiefen. Das Leben ist eine Welle, daran wirst du nichts ändern können. Aber mit einem gesunden Selbstbewusstsein wirst du auch mit den schlimmsten Erfahrungen gut umgehen.
Du sprachst gerade bereits über Arbeit. Du kommst aus einer Generation, in der Arbeit einen sehr hohen Stellenwert hat. Bei der Gen-Z sieht das etwas anders aus. Da steht Selfcare ganz oben. Wärst du lieber Gen-Z?
Nein, auf keinen Fall. Ich liebe meine Generation. Wir hatten die krasseste Musik, wir hatten die besten Filme, und wir hatten noch Werte, die leider heute etwas verloren gegangen sind. Aber ich will die heutige Generation nicht zu hart rannehmen. Ich finde sie sehr mutig. Sie geht auf die Straße, sie sagt, was sie will. Junge Frauen sagen: ‚Nein, ich will das nicht. Ich stehe zu mir.‘
Was dieser neuen Generation jedoch fehlt sind Erfahrung und die Werte, die uns unsere Mutti und unsere Omas mitgegeben haben. Das ist traurig. Hätte die neue Generation noch zusätzlich diese ‚I’m working hard for my money‘-Einstellung, wäre sie perfekt. Aber mein Gott, wer ist schon perfekt?
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Also würdest du niemals deine Jugend-Zeit hergeben wollen?
Nein, niemals. Im Gegenteil: Ich sehne mich nach den alten Tagen. Wir hatten auch unsere Probleme, aber es war alles noch so rein. Wir hatten auch Kriege, wir waren auch heartbroken, wir hatten auch Arschlöcher, aber wir haben mehr geträumt. Und wir haben versucht, unsere Träume wahrzumachen. Und uns war bewusst, dass wir dafür hart arbeiten müssen.
Ich wollte immer auf der Bühne stehen, habe aber trotzdem eine Ausbildung gemacht. Ich habe meine ersten Aufnahmen selbst bezahlt, bin vor zehn Leuten aufgetreten. ‚Popstars‘ war dann der große Schritt, aber davor habe ich wirklich geackert. Um den Bogen zu spannen: Das fehlt dieser Generation. Sie weiß nicht mehr, wie es ist, zu arbeiten.
Ist das vielleicht auch der Grund, warum Castingshows heute kaum noch Stars herausbringen? Man denke an euch damals zurück, an die ersten DSDS-Sieger …
Heute wird von der Produktion alles geplant. Wir wussten damals wirklich nicht, was abging. Wir waren echt. Zum Beispiel mein Streit mit Detlef. Heute bin ich sicher, dass die Produktion damals zu ihm gesagt hat: ‚Die kannst du ärgern, bring sie an ihr Limit. Wir wollen, dass sie ausrastet.‘ Womit sie allerdings nicht gerechnet haben, war meine Reaktion. Die war echt.
Und das ist in Musik-Formaten von heute nicht mehr möglich. Die Kandidaten wissen, wie es geht. Dazu kommt, dass viele Produktionen einfach schlecht gemacht sind (lacht). Das Grundprinzip ist ja: Du holst jemanden aus der Menge und die Menschen lernen ihn kennen. Wie bei einem Baby, das geboren wird. Bei uns war es damals so, dass wir von Anfang an begleitet wurden. Für die Fans fühlte es sich so an, als hätten sie die Band gemacht. Und das ist leider heute nicht mehr so.
Es liegt nicht am Talent des Künstlers oder der Person. Es ist die Produktion, die das nicht mehr so rüberbringt.
Vielleicht auch, weil der Juror heute deutlich mehr im Mittelpunkt steht?
Das stimmt. Ich war selbst Jurorin (Anm. d. Red.: Senna saß als Jurorin in der 10. Popstars-Staffel) und es ist der schlimmste Job aller Zeiten. Ich möchte keine Menschen bewerten. Es bricht mir das Herz, jemandem zu sagen, dass er kein Talent hat. Ich kann das nicht.
Aber ich glaube, du hast es auf den Punkt gebracht: Der Juror steht viel zu sehr im Mittelpunkt. Das finde ich nicht in Ordnung. Die Aufmerksamkeit sollte dem Künstler gelten. Das Schlimme ist auch, dass nicht mehr in den Künstler investiert wird. Es ist alles so schnelllebig, die Konkurrenz ist riesig. Von allem ist alles zu viel. Die Plattenfirmen wollen Produkte, aber sie stellen keine Menschen mehr auf die Bühne. Früher hatten wir noch Herz, und jetzt stirbt mit jedem Mal die Seele. Das liegt nicht an den Künstlern. Das liegt an dem Drumherum. Ich habe manchmal das Gefühl, dass die Leute gar nicht mehr wissen, was geil ist.
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Hörst du denn noch neue Musik?
Nein, gar nicht. Ich schwöre dir, ich habe es versucht, aber ich lande immer wieder bei den ‚Backstreet Boys‘ (lacht).
Von neuer Musik zu neuen Büchern. Du hast geschrieben, dass dein drittes Buch auch dein letztes sein wird. Woran liegt’s?
Ich liebe die Zahl drei. Wir waren zu dritt in einer wunderbaren Band. Wenn ich ein Projekt anfange, brauche ich drei Jahre. Das ist so meine Zahl. Wer weiß, vielleicht werde ich irgendwann Kinderbücher schreiben, ich glaube nicht, dass ich mit dem Schreiben aufhöre.
Aber ihr habt vier Alben gemacht?
Und nur drei waren richtig erfolgreich (lacht). Ich sage es dir ehrlich, das vierte Album war ein sehr starkes Album, aber du hast damals schon gemerkt, dass die Plattenfirma nicht mehr richtig investiert hat. Die Musik vom vierten Album – ‚Like a Lady‘, ‚This is me’ – die Songs kannst du heute noch hören. Das wird heute noch in Clubs gespielt. Und deswegen denke ich, dass unsere Musik noch lange leben wird.
Aber eine Reunion ist nicht geplant?
Ich hätte richtig Bock. Ich habe alles erreicht als Einzelkünstlerin. Ich fülle Hallen, ich schreibe Bestseller, ich war Synchronsprecherin bei ‚Pets 2‘. Ich kann von mir behaupten, dass ich nach der Band-Zeit noch erfolgreicher geworden bin. Es geht nicht um Geld. Ich habe einfach Lust darauf. Ich habe Lust unsere Songs zu spielen. Ich habe Lust auf die Mädels. Ich bin gespannt, was aus ihnen geworden ist, wie sie sich entwickelt haben, was sie zu erzählen haben. Und ich habe einfach Bock, auf die Bühne zu gehen und Monrose-Songs zu rocken.
Vor drei Jahren war ich nicht bereit, weil ich in meiner Selbstfindungsphase war. Vor zehn Jahren konntest du gar nichts mit mir anfangen, aber jetzt hätte ich Lust auf eine gute Zeit mit den Mädels und den Fans, die uns heute noch immer lieben.
Was hält euch auf?
Ich glaube, es ist Mandy. Mit ihr habe ich gar keinen Kontakt mehr. Ich glaube, ich habe mit Bahar darüber geredet und wir werden uns endlich mal privat treffen, wenn es zeitlich klappt.
Was ist mit Mandy?
Das kann ich dir gar nicht so genau sagen. Vielleicht befindet sie sich auch in ihrer Selbstfindungsphase und braucht noch etwas Zeit. Es soll sich auch niemand gezwungen fühlen. Ohne Mandy geht es auch nicht. Das würde niemals funktionieren.
Und dann auch ein neues Album?
Ne, gar nicht. Einfach nur auf die Bühne. Das reicht vollkommen. Ich würde das auch umsonst machen. Aber ich denke, ihr werdet uns sehen. Es ist nicht hoffnungslos.