Die Bundesrepublik Deutschland steht am politischen Scheideweg. Nachdem Olaf Scholz das Vertrauen abgesprochen wurde, beginnt mit dem Jahreswechsel auch der politische Machtkampf. Am 23. Februar wählen die Bürgerinnen und Bürger einen neuen Bundestag, die Herausforderungen für die künftige Regierung sind vielfältig. Sorgen, ob man den Problemen gerecht werden kann, macht man sich aber nicht nur hierzulande. Auch aus Den Haag blickt man mit Argusaugen auf die kommende Bundestagswahl.
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In den Niederlanden erhofft man sich im Anschluss an die Bundestagswahl eine schnelle Erholung des europäischen Wirtschaftsmotors. Auch aus geopolitischer Perspektive ist ein politisch stabiles Deutschland unverzichtbar. Das meint jedenfalls Rob Savelberg, Korrespondent in Berlin für die auflagenstärkste niederländische Tageszeitung „De Telegraaf“ und Vorstandsmitglied im Verein der Ausländischen Presse, im Interview mit unserer Redaktion.
Herr Savelberg, Herrn Scholz wurde das Vertrauen entzogen, am 23. Februar findet die vorgezogene Bundestagswahl statt. Wie blickt man in den Niederlanden auf die Geschehnisse in Berlin?
Rob Savelberg: Eine links-grüne Minderheitsregierung wäre in meiner Heimat gerade sicher nicht mehrheitsfähig. Dort weht ein anderer politischer Wind, mit einer Regierung von Geert Wilders Gnaden. Für die Holländer ist ein stabiles, ökonomisch prosperierendes Deutschland als großer Nachbar wichtig.
Bundestagswahl 2025: Wenn der deutsche Motor stottert, haben wir ein Problem
Was erwartet man in den Niederlanden von der neuen Regierung?
Rob Savelberg: Die neue deutsche Regierung soll schnell Führung in Europa zeigen. Sie muss die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, der Ukraine helfen, sich zu verteidigen, und soll auf Verhandlungen mit Russland drängen. Die vielen Baustellen in Deutschland, der Investitionsstau und die Bürokratie sollen angegangen werden.
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Die Union und inzwischen auch die Grünen befürworten die Intensivierung der Waffenlieferungen an die Ukraine, unter anderem die Lieferung des Taurus-Marschflugkörpers. Ist das der richtige Schritt? Wie stehen die Niederlande zu einer Ausweitung?
Rob Savelberg: Die Niederländer haben schon F16-Kampfflugzeuge geliefert, als Berlin noch auf der Bremse stand. Allerdings trägt der Parteiführer Geert Wilders das Freundschaftszeichen der russischen Duma, und er dominiert die niederländische Regierung. Jedoch unterstützt Den Haag Kiew nach wie vor stark.
Niederländische Regierung: Politische Schnittmenge mit der AfD
Deutschland ist der Wirtschaftsmotor in der Europäischen Union. Macht man sich in den Niederlanden Sorgen um die Vorreiterrolle Deutschlands im Anschluss an die Bundestagswahl?
Rob Savelberg: Auf jeden Fall. Wenn der deutsche ökonomische Motor stottert, dann werden wir krank. Ein Viertel unseres Exports geht nach Deutschland und wenn es dort weniger Nachfrage gibt, dann trifft uns das als Handelsnation.
Wünscht sich ihr Land einen bestimmten Bundeskanzler?
Rob Savelberg: Es gibt in den Niederlanden mittlerweile eine rechte Mehrheit. Diese wünscht sich weniger Migration, weniger Umweltauflagen seitens der EU und mehr Wohnungsbau.
Die AfD steht bei 18 bis 20 Prozent. Wird die AfD in den Niederlanden als eine Gefahr für die Demokratie wahrgenommen?
Rob Savelberg: Bei uns gibt es eine vergleichbare eurokritische und Anti-Migrations-Partei – die Freiheitsbewegung von Geert Wilders, welcher wegen Diskriminierung bereits verurteilt wurde. Seine Ein-Mann-Partei hat die letzte Wahl gewonnen und dominiert die Haager Regierung. Rund um diese Partei gibt es in meiner Heimat aber keine Verbots-Diskussion. Allerdings ist die AfD noch pro-russischer, duldet Neonazis und die extreme Rechte.