Apotheken in ganz Deutschland stehen vor einer wachsenden Herausforderung: Wichtige medizinische Produkte sind zunehmend schwer verfügbar. Auch in Niedersachsen ist die Lage angespannt. Was bislang als Ausnahme galt, entwickelt sich immer mehr zum Regelfall.
Die Auswirkungen reichen dabei weit über die Apothekentheke hinaus und betreffen weite Teile des Gesundheitssystems. Doch was steckt hinter diesen Engpässen in Niedersachsen und im Rest der Republik, und wie können sie gelöst werden?
Niedersachsen: Apotheken am Limit
Die Apotheken in Deutschland schlagen Alarm: Lieferengpässe bei essenziellen Medikamenten, darunter auch einfache Produkte wie Kochsalzlösung, sorgen für immer größere Herausforderungen. Was auf den ersten Blick unspektakulär klingt, hat weitreichende Folgen – und das nicht nur in Apotheken, sondern auch in Krankenhäusern und Arztpraxen. Antibiotika, Antidepressiva, Schmerzmittel – und nun auch Kochsalzlösung: Die Liste der betroffenen Medikamente wird immer länger. Besonders in Niedersachsen zeigt sich die angespannte Lage, wie die Apothekerkammer bestätigt. Manche Medikamente fehlen nur wenige Tage, andere gleich mehrere Monate.
Ein entscheidender Faktor ist die Verlagerung der Produktion in Schwellenländer. Der Kostendruck zwingt viele Hersteller dazu, ihre Werke ins Ausland zu verlagern, wo die Produktion günstiger ist. Doch das bringt Herausforderungen mit sich: Produktionsprobleme, mangelnde Qualitätssicherung und langwierige Preisverhandlungen zwischen Herstellern und Krankenkassen verschärfen die Situation weiter. Hinzu kommt in vielen Fällen eine Abhängigkeit von einzelnen Zulieferern. Im Fall der Kochsalzlösung liegt der Engpass bei einem Hersteller von Glasflaschen, die für die Abfüllung benötigt werden.
Notlösungen aus dem Ausland
Die Apothekerkammer meldet: Lieferengpässe bei Medikamenten, die als „versorgungskritisch“ eingestuft sind, werden in einer Datenbank des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) geführt. Anfang Oktober waren dort rund 500 Präparate gelistet. Ein Lieferengpass wird als eine über zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung der Auslieferung oder als eine Nachfrage, die das Angebot übersteigt, definiert. Kochsalzlösung, ein scheinbar simples Produkt, spielt dabei eine Schlüsselrolle, vor allem in Krankenhäusern. Bei Operationen und in der Krebstherapie ist es unverzichtbar – und genau hier wird es nun knapp. Doch es gibt zumindest einen Lichtblick: Krankenhausapotheken können derzeit Kochsalzlösungen aus dem Ausland importieren. Gesundheitsminister Karl Lauterbach setzt auf diesen Ansatz, um die Engpässe zu überbrücken. „Kochsalzlösungen sind elementar bei Operationen und auch in der Krebstherapie. Deswegen nutzen wir alle Möglichkeiten, um Lieferengpässe zu vermeiden und werden den Import erlauben.“, erklärt der Minister.
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Der Import soll kurzfristig helfen, die Versorgung sicherzustellen, bis sich die Lage wieder stabilisiert. Trotz dieser Maßnahmen bleibt die Kritik der Apotheker nicht aus. „Lange Zeit wurden von der Politik keine wirksamen Maßnahmen ergriffen, um Lösungen für die Arzneimittel-Lieferschwierigkeiten zu finden (…)“, so eine Sprecherin der Apothekerkammer. Die Branche habe frühzeitig auf die sich zuspitzende Lage hingewiesen – doch Gehör fand sie lange Zeit nicht. Die Aussage des Bundesgesundheitsministeriums, dass ein Lieferengpass nicht gleichzusetzen sei mit einem Versorgungsengpass, wird von vielen als beschwichtigend empfunden. Schließlich können sich kleinere Lieferausfälle schnell zu einem ernsten Problem auswachsen, insbesondere wenn es um lebenswichtige Medikamente geht. (mit dpa)