Keine Karnevalspause in der Hauptstadt! Die Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD zur Bildung einer neuen Bundesregierung gingen an den Faschingstagen weiter. Schwarz-Rot soll dem Land einen neuen Aufbruch ermöglichen und politisch für stabilere Verhältnisse sorgen. Dafür brauchen sie aber zunächst im Bundestag die Unterstützung der Grünen. Trotzdem demütigt die CSU-Spitze um Markus Söder die Habeck-Partei beim Politischen Aschermittwoch.
Es geht um gigantische schuldenfinanzierte Projekte bei Bundeswehr und Infrastruktur, um das Land wieder auf Vordermann zu bringen. Alle Entwicklungen, Spekulationen und Neuigkeiten zu den schwarz-roten Sondierungsgesprächen findest du hier im Newsblog.
Schwarz-Rot Newsblog: Söder wettert weiter gegen die Grünen – obwohl Merz sie braucht
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6. März, 7.52 Uhr: Was haben CSU-Chef Markus Markus Söder und sein General Martin Huber vor? Sie piesacken und provozieren die Grünen. Und dass, obwohl Friedrich Merz zur Umsetzung der Verfassungsänderungen für das Infrastruktur-Sondervermögen und die Schuldenbremse-Lockerung für die Bundeswehr auf die grüne Zustimmung in Bundestag und Bundesrat angewiesen ist.
Trotzdem wetterten Söder und Hubert beim Politischen Aschermittwoch der CSU munter weiter gegen die Grünen, als Lieblings- und Hauptgegner der Christsozialen. Da wurden die Grünen als „Ramschware“ beschimpft. Habeck könne nun wieder „Kinderbücher von der Oppositionsbank schreiben“. „Auf Nimmerwiedersehen!“, grüßte Söder seinem Kontrahenten aus Passau.
Im Netz reagieren viele fassungslos auf den Spott und die Hetze aus Bayern. Der grüne Europapolitiker Erik Marquandt schreibt auf X: „Die CSU scheint zu glauben, dass sie eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag erreicht, indem sie notwendigen Stimmen wie ein unerzogenes Kind schreiend den Stinkefinger zeigt. Das ist aber nicht korrekt und vielleicht sind die Zeiten auch einfach etwas zu ernst, um sich in einem dumpfen Antigrünen-Bashing zu verlieren.“
Lars Klingbeil erklärt am Mittwoch im ARD-Talk von Sandra Maischberger: „Ich finde, dass es nicht schlau ist, sich in diesen Zeiten gegenseitig zu demütigen. Das sollte sowieso kein politischer Stil sein.“ Er wirbt um einen „vernünftigen Umgang“.
Grüne verlangen Entschuldigung von Merz
14.55 Uhr: Nach Informationen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ soll der Bundestag in alter Besetzung am 13. März über die von Schwarz-Rot angestrebten Grundgesetzänderungen abstimmen. Die Grünen lassen aber weiter offen, ob sie das Vorhaben unterstützen werden. „Wir haben eine Reihe von Fragen“, so Co-Fraktionschefin Katharina Dröge am Mittwoch in Berlin. Grünen-Chef Felix Banaszak verlangt derweil von Friedrich Merz eine Entschuldigung. Sie sei „fällig“, so der Banaszak beim Politischen Aschermittwoch seiner Partei in Landshut.
Jahrelang habe die Union von Merz die Habeck-Partei für genau die Politik angegriffen, die er plötzlich selbst durchziehen will. „Einen Tag nach der Wahl stellt Friedrich Merz fest: Huch, da fehlen ja ein paar Hundert Milliarden Euro!“ Merz habe entweder „keine Ahnung oder keinen Anstand oder beides. Nichts davon qualifiziert ihn zum Bundeskanzler“, so der Grünen-Vorsitzende.
Die Parteispitze der Linken hinterfragt währenddessen, „ob eine solche Abstimmung über mehrere hundert Milliarden im gerade abgewählten alten Bundestag überhaupt verfassungskonform ist“. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht empört sich: „Das ist das wahnwitzigste Aufrüstungspaket und der größte Wählerbetrug in der Geschichte der Bundesrepublik.“
Steht eine Zweidrittelmehrheit? So eng könnte es für Merz werden
13.15 Uhr: Könnte die Abstimmung über das 500-Milliarden-Sondervermögen und den Blankoscheck für die Bundeswehr eng werden im alten Bundestag? Veit Medick, Leiter des „Stern“-Hauptstadtbüros, rechnet vor, dass die Zweidrittelmehrheit von SPD, CDU/CSU und Grüne gar nicht so komfortabel ist.
Auf X stellt er zunächst fest, dass diese Parteien im alten Bundestag 30 Stimmen über den nötigen 491 Stimmen haben. Doch haben abgewählte und frustrierte Abgeordnete noch etwas zu verlieren? Was ist mit der Stimmungslage der Grünen, fragt Medick. Sie sollen nun Merz und Söder ein Geschenk machen, „obwohl sie von ihnen ein halbes Jahr beschimpft wurden“. Auch in der Union rumort es angesichts des „eigenen Glaubwürdigkeitsverlustes in Sachen Schuldenbremse“. Hinzu kommen vielleicht noch Urlauber. So könnte der 30-Stimmen-Vorsprung deutlich dahinschmelzen.
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11.54 Uhr: Noch-Kanzler Olaf Scholz und sein designierter Nachfolger Friedrich Merz haben am Mittwochvormittag über die sicherheitspolitische Lage rund um die Ukraine gesprochen. Das Treffen dand im Kanzleramt statt.
Anlass des Treffens im Kanzleramt ist der EU-Sondergipfel zur Ukraine und zur Stärkung der europäischen Verteidigungsfähigkeit am Donnerstag, an dem Scholz teilnimmt. Merz will in Verbindung mit dem Gipfel am Donnerstagvormittag an einem Vortreffen mit EU-Staats- und Regierungschefs aus der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP) teilnehmen.
Extrawurst für Söder – er hält sich nicht an gemeinsames Vorgehen
5. März, 7 Uhr: Extrawurst für Markus Söder! Während die anderen Spitzenpolitiker von Schwarz-Rot ihre Termine am Aschermittwoch abgesagt haben, gilt das für den CSU-Chef nicht. Das Signal nach außen war klar: Keine Zeit für Karneval bzw. Fasching, die Koalition soll schnell stehen. So sagte beispielsweise Friedrich Merz seinen Auftritt beim Politischen Aschermittwoch der CDU in Apolda (Thüringen) ab.
Markus Söder aber hält daran fest, beim traditionellen Politischen Aschermittwoch der CSU in Passau als Hauptredner zu sprechen.
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Machen die Grünen mit beim Mega-Sondervermögen?
4. März, 21.10 Uhr: Machen die Grünen da mit? Für eine Zweidrittel-Mehrheit im alten Bundestag braucht Schwarz-Rot die Unterstützung der Grünen. Doch Co-Fraktionschefin Katharina Dröge gibt sich im ARD-„Brennpunkt“ skeptisch und geht auf Distanz zu Merz: „Wir machen hier gar nichts auf Zuruf.“ Ihre Partei setzt eher auf eine Reform der Schuldenbremse, statt auf neue Sondervermögen. Zudem kritisiert Dröge, dass in dem Finanzpaket von Schwarz-Rot das Thema Klimaschutz nicht vorkomme.
Dröge begrüßt in der ARD-Sendung, dass bei Verteidigungsausgaben nun die Schuldenbremse angepasst werde. Sie frage sich aber, warum das nicht auch bei den nötigen Investitionen für Infrastruktur passiert sei. Man werde „miteinander sprechen und verhandeln müssen“. Ihre Partei wolle sich die Vorschläge „genau anschauen“:
20.22 Uhr: Ziemlich perplex reagieren politische Beobachter auf die gigantische Verkündung von Schwarz-Rot. Finanztip-Chefredakteur Hermann-Josef Tenhagen kommentiert das Mega-Schuldenpaket für Bundeswehr und Infrastruktur mit den Worten: „Die CDU und die CSU haben den Wählerinnen und Wählern im Wahlkampf zwar etwas ganz anderes erzählt (man könnte auch sagen: die Hucke vollgelogen). Aber immerhin erkennen Union und SPD jetzt, was nötig ist.“
Juso-Chef Philipp Türmer tritt gegen Merz nach: „Dieses Land und Europa haben eine Menge Zeit verloren, weil die Union noch einen Wahlkampf mit der Schuldenbremse führen wollte – nur um sie nicht mal zwei Wochen nach der Wahl weitgehend zu beerdigen.“
Kritik kommt von Ex-Ministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP: „Die Jugend wird die Rechnung zahlen müssen. Irre!“ Der liberale Noch-Fraktionschef Christian Dürr wirft Merz, Klingbeil und Co. „Schulden für alles mögliche ohne Sinn und Verstand“ vor.
20.05 Uhr: Union und SPD haben einen ersten Durchbruch in ihren Sondierungsgesprächen erzielt und ein Finanzpaket von historischem Ausmaß für Verteidigung und Infrastruktur geschnürt. Die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben soll gelockert werde. Außerdem soll ein Sondervermögen für die Instandsetzung der Infrastruktur mit 500 Milliarden Euro geschaffen werden. 100 Milliarden davon fließen an die Bundesländer. Friedrich Merz, Markus Söder, Lars Klingbeil und Saskia Esken verkündeten die Einigung am Dienstagabend. Darüber hinaus soll die Schuldenbremse im neuen Bundestag mittelfristig reformiert werden.
Grüne stellen Bedingungen für Zustimmung
11.25 Uhr: Die Grünen haben CDU-Chef Friedrich Merz aufgefordert, wegen des hohen Finanzbedarfs bei Verteidigung und Infrastruktur statt weiterer Sondervermögen eine Reform der Schuldenbremse anzugehen. Die Schaffung von Sondervermögen sei „nur eine zeitlich begrenzte Untertunnelung der Schuldenbremse“, sagte die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, am Dienstag im Deutschlandfunk. Es sei besser, gleich die Schuldenbremse zu reformieren.
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4. März, 10.49 Uhr: CDU-Chef Friedrich Merz hat wegen der andauernden Sondierungen mit der SPD über eine neue Bundesregierung einen Auftritt beim Politischen Aschermittwoch seiner Partei in Apolda in Thüringen abgesagt. Das teilte ein CDU-Sprecher in Berlin mit. Die Mitglieder des Sondierungsteams der SPD hatten bereits am Vortag ihre Auftritte beim Politischen Aschermittwoch ihrer Partei abgesagt.
Sonderbare Szene mit Saskia Esken auf SPD-PK
3. März, 18.03 Uhr: Nach der historischen Wahlniederlage will die SPD die Neuwahl ihrer Parteispitze deutlich vorziehen. Der Parteitag soll von Dezember auf Juni vorgezogen werden. Das berichtet die Deutsche Presse-Agentur. Ob Lars Klingbeil und Saskia Esken erneut kandidieren, ist unklar. Auf dem Parteitag soll außerdem ein „Fahrplan für die strategische, programmatische und organisatorische Aufstellung der SPD für die Bundestagswahl 2029“ erarbeitet werden.
13.34 Uhr: Sonderbare Szene bei der SPD-Pressekonferenz mit Saskia Esken. Nachdem alles eigentlich schon gesagt wurde und Lars Klingbeil sein Statement zu den nächsten Sondierungsgesprächen abgegeben hatte, ergriff nochmal Esken das Wort. Sie stellte klar, alle wichtigen Fragen „werden ganz sicher nicht die Männer unter sich ausmachen“. Offenbar passt es ihr nicht, dass Klingbeil als „neuer starker Mann der SPD“ auf Augenhöhe mit Merz verhandelt – und sie nur eine Nebenrolle spielen soll.
+++ Hier mehr: Saskia Esken: Retourkutsche gegen Klingbeil auf PK – „deplatziert“, „unangenehm“, „cringe“ +++
12.12 Uhr: Nach Informationen von „Stern“ und „Bild“ plant Friedrich Merz eine Sondersitzung des Bundestages in alter Besetzung am 10. März. Bei dem Termin soll es dann um mögliche neue Milliardenkredite, also Sondervermögen, gehen. Die allgemeine Schuldenbremse soll unangetastet bleiben, höchstens für die Bundesländern seien Lockerungen denkbar. All das habe Merz am Montagvormittag im CDU-Bundesvorstand verkündet. Später hat Merz dementiert, dass er den 10. März erwähnt hat.
Dass diese Information aber an die Presse durchsickerte und das Vorhaben nicht mit der SPD abgestimmt war, erzürnt Chef-Genossin Saskia Esken. Es spreche nicht für eine „vertrauliche Basis“, dass das nun so abgelaufen sei. Am Montagnachmittag verhandeln CDU/CSU und SPD genauer über das Thema Staatsfinanzen.
Linke bietet sich Schwarz-Rot an: „Bereitschaft zu konstruktiven Gesprächen“
9.46 Uhr: Wende bei der Linkspartei? In einem Brief bietet Christian Görke, Parlamentarischer Geschäftsführer der Partei Die Linke, CDU/CSU, SPD und Grünen eine Reform der Schuldenbremse an. Voraussetzung: Man werde keine Reform mitttragen, „die ausschließlich Militär- und Aufrüstungsausgaben priorisiert“.
Die Partei signalisiert die „Bereitschaft zu konstruktiven Gesprächen“. Damit erscheint es nun realistischer, dass Schwarz-Rot auch im neuen Bundestag eine nötige Zweidrittel-Mehrheit finden könnte, solange es nicht nur um eine Erhöhung der Bundeswehr-Ausgaben geht.
9.20 Uhr: Ökonomen fordern es schon lange, ebenso SPD, Grüne und Linkspartei. Deutschland brauche ein Investitionspaket in schwindelerregender Höhe, um die Infrastruktur zu modernisieren und die Bundeswehr verteidigungsfähig zu machen. Im Wahlkampf verwiesen CDU/CSU stets auf die gestiegenen Einnahmen des Bundes, man müsse nur andere Prioritäten setzen im Haushalt. Außerdem hielt Friedrich Merz starr an der Schuldenbremse fest.
Kaum ist die Bundestagswahl rum, zeigt man sich auch in der Union offenbar offen, massive neue „Sondervermögen“, also Schuldenpakete, aufzunehmen. In einem Papier der Top-Ökonomen Clemens Fuest, Jens Südekum, Michael Hüther und Moritz Schularick für die Sondierungsgespräche ist laut der Agentur Reuters die Rede von einem Bedarf von 900 (!) Milliarden Euro. Davon sollen 400 Milliarden Euro an die Bundeswehr gehen und 500 Milliarden Euro für die Infrastruktur ausgegeben werden. Die Wirtschaftsexperten fordern zwei neue Sondervermögen – und stoßen dabei laut Medienberichten auf ernsthaftes Interesse im Kreis der schwarz-roten Verhandlungsgruppen.
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Ob eine Merz-Regierung tatsächlich in diesem Umfang neue Schulden aufnehmen würde, ist noch unklar. Es wird aber immer wahrscheinlicher, dass es zumindest in diese Richtung gehen wird.
Opfern CDU/CSU und SPD das Elterngeld und die Mütterrente für die Verteidigung?
8.52 Uhr: Aufregung gibt es um einen Vorschlag des Top-Ökonom und Politik-Berater Clemens Fuest vom ifo-Institut. Er schlägt vor, das Elterngeld abzuschaffen! „Es ist ein klassischer Fall von nice-to-have, aber nicht prioritär“, so Fuest gegenüber der „Welt am Sonntag“.
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Die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Wirtschaft, Monika Schnitzer, hält davon nichts, weil man sonst gut ausgebildete Frauen für den Arbeitsmarkt verlieren könnte. Schnitzer will aber angesichts der „dramatisch veränderten Sicherheitslage“ an anderer Stelle kürzen, nämlich bei der Mütterrente.
Ob Schwarz-Rot wirklich bei Leistungen des Sozialstaates Einsparungen vornimmt, um mehr Mittel für die Bundeswehr zusammenzukratzen, wird eine der spannendsten Fragen der nächsten Tage. Aktuell erscheint das kaum vorstellbar, schließlich ist eher die Rede von neuen Sondervermögen und die SPD-Basis könnte dem Koalitionsvorhaben sonst einen Riegel vorschieben.