Wolfsburg.
Er galt als angezählt – aber VW-Chef Herbert Diess behält seinen Job. Der 62-Jährige hat sich im jüngsten Machtkampf um die Führung von Volkswagen in Teilen durchgesetzt Wenngleich er in einem Punkt eine Niederlage einstecken musste.
In Wolfsburg herrscht kurz vor Weihnachten so etwas wie Burgfrieden. Die Führungskrise bei VW ist fürs Erste abgewendet. Gleichzeitig soll sich aber die Stimmung der Mitarbeiter verschlechtern.
VW-Aufsichtsrat: „Unterstützung“ für Herbert Diess
Der VW-Aufsichtsrat hat Konzernchef Herbert Diess in einer Sondersitzung am Montagabend seine „Unterstützung“ ausgesprochen. Man wolle mit ihm weiter zusammenarbeiten, hieß es. „In den kommenden Jahren wird der Vorstand der Volkswagen AG die Strategie mit Herbert Diess an der Spitze umsetzen“, erklärten die Aufseher.
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Aus dem Umfeld des Aufsichtsrats hieß es, dass Diess hingegen seine Forderung nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung fallengelassen hat. Der Vertrag des VW-Chefs läuft noch bis zum April 2023.
VW-Betriebsratschef Osterloh setzt sich durch
Damit hat sich nach Meinung von VW-Beobachtern Betriebsratschef Bernd Osterloh durchgesetzt. Diess und Osterloh waren mehrfach aneinandergeraten – nach der Aushandlung des Spar- und Umbauprogramms „Zukunftspakt“ zuletzt auch bei den Pannen in der Fertigung des neuen Golf 8.
Im Juni war es dann zu einem Eklat gekommen: Diess warf Aufsehern Straftaten vor, nachdem sensible Informationen aus der Golf-Produktion nach außen gelangt waren.
VW-Chef Diess punktet beim Personal
Diess hat sich dagegen durchgesetzt, was die Neubesetzung dreier Vorstandsposten angeht. So soll der derzeitige Audi-Finanzchef Arno Antlitz Nachfolger von Finanzchef Frank Witter werden. Ressortchef für den Konzerneinkauf wird Murat Aksel. Für die intern „Komponente“ genannte konzerneigene Zuliefersparte soll Thomas Schmall die Verantwortung erhalten, teilte der Autobauer aus Wolfsburg am Abend mit.
Zu Diess selbst hieß es: „Der Vorstandsvorsitzende und sein neues Vorstandsteam haben die volle Unterstützung des Aufsichtsrats, wenn es um die Neuausrichtung auf Elektromobilität, Digitalisierung, aber auch um die Steigerung von Effizienz und Profitabilität geht.“ Diese Meinung sei im Kontrollgremium einstimmig festgehalten worden.
VW-Chef Diess sah sich ausgebremst
Der Vorstandschef hatte für den Umbau zu mehr Elektroantrieben und Software sowie im Streit um die Besetzung der drei anderen Posten darauf gedrungen, schon jetzt Nägel mit Köpfen zu machen.
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Damit hatte Diess dem Vernehmen nach ein klares Bekenntnis zu seinem Kurs eingefordert, weil er sich von der Arbeitnehmerseite in wichtigen Entscheidungen ausgebremst sah. Bei einem Teil der Aufseher soll er mit der Vertrauensfrage allerdings eher deren Unmut heraufbeschworen haben, weshalb sie sich fast zur Nagelprobe auswuchs.
VW-Chefetage erzielt Kompromiss
Jetzt steht ein Kompromiss. Man schätze „die Zielstrebigkeit und Hartnäckigkeit, mit der Herbert Diess den technologischen Wandel, den Beitrag zur Erreichung der Klimaziele, aber auch die wirtschaftlichen Ergebnisse des Unternehmens vorantreibt“, erklärte der Aufsichtsrat.
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Die Arbeitnehmerforderung nach einem bedeutenden Elektromodell für das Stammwerk in Wolfsburg stützte das Gremium ebenfalls. Bisher gab es hierfür lediglich die Verabredung, darüber im kommenden Jahr zu entscheiden. Zunächst sind bei VW in Deutschland die Werke in Zwickau, Emden und Hannover für E-Modelle vorgesehen.
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VW-Werke in Deutschland:
- Braunschweig
- Chemnitz
- Dresden
- Emden
- Hannover
- Kassel
- Osnabrück
- Salzgitter
- Wolfsburg
- Zwickau
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Mit der Zusage für ein wichtiges E-Auto macht nun auch das größte Automobilwerk der Welt am Stammsitz einen Schritt ins Elektrozeitalter – was zumindest als wichtiger Punktsieg für Osterloh gelten dürfte, der seit langem zusätzliche Modelle für Wolfsburg forderte.
VW: „Führendes Elektrofahrzeug“ aus Wolfsburg
Denn das Stammwerk hat mehr und mehr Probleme mit der Auslastung, weil sich etwa der Golf und der Tiguan nicht mehr so gut verkaufen lassen. Dem Konzern geht es um nicht weniger als „das künftig führende Elektrofahrzeug der Marke Volkswagen Pkw“. Und genau hier könnte ein Problem liegen: Eine hochautomatisierte Produktion hieße auch, dass weniger Personal nötig ist.
Angst, Misstrauen und Orientierungslosigkeit bei VW?
Apropos Personal: Kritische VW-Beobachter sehen derzeit eine innere Erosion, berichten die „Wolfsburger Nachrichten“. Demnach gibt es in Wolfsburg eine Unzufriedenheit über die innerbetriebliche Kultur und die Personalpolitik. Unter anderem kehrten Führungskräfte und außertarifliche Mitarbeiter VW frühzeitig den Rücken.
Inoffiziell herrsche bei VW ein Betriebsklima geprägt von Angst, Misstrauen und Orientierungslosigkeit. Das wiederum zerstöre die Loyalität vieler Beschäftigter, berichten die „Wolfsburger Nachrichten“. (dpa/red)
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