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VW: „Gesicht des Skandals“ redet erstmals – „Hab's noch geschafft, die Hose hochzuziehen“

VW: „Gesicht des Skandals“ redet erstmals – „Hab's noch geschafft, die Hose hochzuziehen“

oliver schmidt vw
Er wurde zum Gesicht des VW-Dieselskandals: Ex-Mitarbeiter Oliver Schmidt. Jetzt redet er erstmals öffentlich! (Archivbild) Foto: IMAGO / ZUMA Wire

Wolfsburg. 

VW

dürfte aktuell eher ungern fernsehen.

Denn was ARD beziehungsweise NDR da gerade zeigen, birgt mächtig Zündstoff. Einen Tag vor dem Beginn des VW-Betrugsprozesses kommen einige neue Dinge ans Licht…

Zum ersten Mal sprechen in der Doku und dem Podcast auch Beteiligte. Über Schuld. Und über Unschuld. Über Verantwortung – und über das, was passiere, wenn niemand einen warne.

VW betrügt Millionen Kunden

Es ist eine lange Geschichte mit vielen Kapiteln. Es geht um offenbar jahrelang gut behütete Betriebsgeheimnisse. Und um den 18. September 2015 – und die Zeit danach. Damals hatte die US-Umweltbehörde bekannt gegeben, dass VW seine Abgaswerte geschönt und damit weltweit rund elf Millionen Kunden betrogen hatte.

Die ARD-Reporter haben interne Befragungen ausgewertet und Dokumente eingesehen – und mit einigen der rund 100 Beschuldigten gesprochen. Anonym. Drei Schauspieler geben deren teils brisante Aussagen wider.

VW: Wer trägt die Schuld?

„Bin ich Täter oder Opfer? Weder noch, würde ich sagen. Ich hab’s gewusst und nicht verhindert. Und darüber ärgere ich mich heute, keine Frage.“ Dass es unmoralisch gewesen sei, ja. Aber illegal? So genau habe man die Gesetze ja nicht gekannt. „Das war wie über eine rote Ampel zu gehen. Das machen ja auch viele.“

Jede Entscheidung habe der jeweilige Chef abgenickt – damit hätten sie sich sicher gefühlt. Es sei zwar komisch gewesen, aber die Signale von oben seien immer okay gewesen. „Das machen alle. Und wir machen weiter.“ Das sei „Industrie-Standard“ gewesen.

Ein Eingeweihter sagte der ARD, dass er damit gerechnet habe, von der Chefetage „achtkantig rausgeschmissen“ zu werden. Aber das Gespräch sei anders verlaufen… Aussage gegen Aussage: Denn die besagten Chefs sehen das naturgemäß anders. Sie wollen von dem Betrug erst 2015 erfahren haben. „Wenn mir jemand drei Jahre früher gesagt hätte, dass wir betrügen und Gesetze brechen – den hätte ich strammstehen lassen.“

VW: Oliver Schmidt redet Tacheles

Nur einer spricht offen: Oliver Schmidt. Der Ex-Manager und Leiter des VW-Umweltbüros war damals zum „Gesicht des Skandals“ geworden. Das Foto seiner Verhaftung am Flughafen Miami in den USA ging um die Welt. „Ich hab’s noch bis zur Toilette geschafft. Ich hab’s auch noch geschafft, die Hose wieder hochzuziehen. Und dann stürmten fünf FBI-Beamte und drei Flughafen-Polizisten in die Toilette und haben mich festgenommen.“

Er sei ins Gefängnis gebracht worden. Und dort habe er sich direkt in den Fernsehnachrichten gesehen, die dort oben liefen. „Eine der Headlines war meine Verhaftung. Da war das Hallo dann relativ groß, als ich in diesen Zellentrakt gebracht wurde.“

„Meine Schuld ist ganz einfach: Ich bin in die USA geflogen. Ich habe mit Regierungs-Angestellten geredet. So, wie man es – vorsichtig gesagt – nicht hätte tun sollen. Und in diesen Gesprächen habe ich nicht alles gesagt, was ich wusste.“ Dafür wanderte er dann in den Knast. Das Urteil: Sieben Jahre. Nach mehr als drei Jahren kam er wieder frei. Auf Bewährung.

Er wolle die Schuld nicht nur auf Ex-VW-Chef Winterkorn schieben: „Wer hat’s angeordnet und wer hat’s gedeckt? Wer hat es wann gewusst?“ Auch Bereichsleiter hätten versucht, ihre Haut zu retten. Aber Schmidt behauptet auch, ein Skript bekommen zu haben. „Da stand drauf, was ich sagen und nicht sagen sollte. Unter anderem sollte ich das Wort ‚defeat device‘ nicht sagen“ – also nicht von dem bewussten Betrug sprechen. Leitende Manager hätten das gewusst, so Schmidt.

Zumal es kurz nach dem Auffliegen des Abgasskandals ein Treffen mit Martin Winterkorn gegeben habe. Dabei sei es um die Frage des Umgangs mit den US-Behörden gegangen.

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Winterkorn hatte damals auch Verantwortung übernommen. Aber bis heute behauptet er, nichts über den Betrug im eigenen Hause gewusst zu haben. Der bestbezahlte Manager Deutschlands musste damals gehen. Selbst die Rückendeckung aus dem Aufsichtsrat reichte ihm nicht.

Wobei VW bis heute sagt, dass eine kleine Ingenieur-Gruppe für den Abgas-Betrug, den manche noch immer „Schummel“ nennen, verantwortlich war. Von einem Motoren-Entwickler dagegen heißt es: „Dass mich da jemand in die Verantwortung nimmt, habe ich ehrlich gesagt für unmöglich gehalten. Dummerweise.“

VW: Betrugsprozess startet in Braunschweig

Nach sechs Jahren beginnt in der zum Gerichtsaal umgebauten Stadthalle der Prozess. Der Vorwurf: Betrug in besonders schwerem Fall. Die Ankläger der zuständigen Staatsanwaltschaft Braunschweig gehen davon aus, dass die Beschuldigten als „innerer Zirkel schon genau Bescheid wussten von der von Beginn an angelegten Scharlatanerie“ – so Staatsanwalt Klaus Ziehe. >> Hier geht’s zur ganzen ARD-Doku „Winterkorn und seine Ingenieure“!

Man habe „ganz, ganz viele Zeugen und sonstige Beweismittel in der Summe schon ein Verfahren, das in mancherlei Beziehung den normalen Rahmen wirklich sprengt“, sagt Staatsanwalt Klaus Ziehe. Nach all den Jahren Ermittlungen sei man zu einem anderen Schluss gekommen. Daher die Anklage. (ck)